- Kurz vor dem Beschluss schärferer Regeln für die
Finanzwelt ("Basel III") haben führende Banker und Aufseher vor
Wettbewerbsnachteilen Europas gegenüber den USA gewarnt. "Basel III
muss zeitgleich auf beiden Seiten des Atlantik implementiert werden",
betonte Bundesbankpräsident Axel Weber am Mittwoch bei der
"Handelsblatt"-Tagung "Banken im Umbruch" in Frankfurt. Es dürfe nicht
passieren,
dass Europa die strengeren Regeln einführe, und die USA nicht.

    Sparkassen und Landesbanken erneuerten ihre Kritik an den geplanten
Regeln, die eine Antwort auf die jüngste Finanzkrise sind. Die
Institute sehen Milliardenbelastungen auf sich zurollen und warnen, dies
könne die Kreditvergabe einschränken und damit auch das
Wirtschaftswachstum bremsen.

    An diesem Sonntag - und damit fast genau zwei Jahre nach der
Lehman-Pleite - könnten die Chefs der Notenbanken und
Aufsichtsbehörden die
künftigen Kapitalanforderungen für Banken festzurren. Der Chef der
US-Investmentbank Morgan Stanley  , James Gorman,
zeigte
sich optimistisch, dass sich die USA den neuen Regeln anschließen
werden. "Es gibt zwar eine Hintertür, aber ich denke nicht, dass wir
sie
benutzen", sagte Gorman. "Wir brauchen die globalen Eigenkapital- und
Liquiditätsregeln von Basel." Auch Unicredit-Chef  
Alessandro Profumo forderte die weltweite Einführung.

OPTIMISMUS BEI DER BUNDESBANK

    Bundesbank-Vizepräsident Franz-Christoph Zeitler zeigte sich nach
der jüngsten Sitzung des Baseler Ausschusses vom Dienstag "ein Stück
optimistischer", dass das Ziel einer Balance zwischen einem stabileren
Finanzsystem einerseits und der Vermeidung einer Kreditverknappung
andererseits erreicht werden könne.

    Zeitler, der für Deutschland im Baseler Ausschuss sitzt, in dem 27
Länder seit Monaten über neue Regeln für Kreditinstitute ringen,
sagte bei der Bundesbank in Frankfurt: "Der Ausschuss hat gestern
Eckpunkte einer Einigung auf den Weg gebracht, die eine Grundlage für
die
Beratung und Beschlussfassung der Gouverneure der Notenbanken und Chefs
der Aufsichtsbehörden am kommenden Sonntag bilden." Ab 2013 sollen
in festgelegten Stufen die höheren Quoten für hartes Kernkapital (Core
Tier 1) und ein fixer Kapitalpuffer kommen.

BANKEN FORDERN LANGE ÜBERGANGSFRISTEN

    Wie hoch die Kapitalquoten gesetzt werden sollen, sagte Zeitler
nicht. Banken gingen zuletzt von einer Kernkapitalquote (Core Tier 1)
von acht Prozent und einer weiter gefassten Kapitalquote (Tier 1) von
zehn Prozent aus. Medienberichten zufolge sind in der
Entscheidungsgrundlage künftig neun Prozent Eigenkapital der Klasse
"Tier 1" vorgesehen. Es bleibe "eine signifikante Herausforderung für
die Kreditinstitute, die künftigen Kapitalherausforderungen zu
erfüllen", erklärte der Bundesbank-Vize. Zeitler erwartet eine
Übergangsfrist
von fünf bis zehn Jahren zu Einführung der Regeln.

    Das reicht manchem Banker nicht. Die deutschen Landesbanken warnten
vor massiven Belastungen der Kreditwirtschaft durch die geplanten
schärferen Eigenkapitalregeln. Notfalls müsse die Bundesregierung ein
Veto gegen "Basel III" einlegen, forderte der Bundesverband
Öffentlicher Banken Deutschlands (VÖB). Landesbanken und Sparkassen
bangen, dass ihre Stillen Einlagen - aktuell überwiegend Gelder der
öffentlichen Hand - nicht mehr als Kernkapital anerkannt werden.

    VÖB-Hauptgeschäftsführer Karl-Heinz Boos ließ in Berlin
mitteilen: "Letztlich richtet sich die Verschärfung des
Eigenkapitalbegriffs
gegen das deutsche Bankensystem, das anders als in den angelsächsischen
Ländern nicht ausschließlich in der Rechtsform der
Aktiengesellschaft organisiert ist."

WEBER: NÄCHSTE KRISE KOMMT SICHER

    Der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV),
Heinrich Haasis, kritisierte in Frankfurt: "Die Baseler Regelungen
werden viel zu pauschal und viel zu wenig differenziert über alle
Kreditinstitute hinweggezogen." Es würden gerade diejenigen Institute
bestraft, die in der Krise nicht auffällig geworden seien.

    Bundesbankpräsident Weber mahnte, es sei dringend notwendig, das
Finanzsystem stabiler zu machen. Natürlich bedeute jede Verschärfung
der Regulierung für sich genommen "eine zusätzliche Belastung für die
Banken und beeinflusst damit deren Fähigkeit zur Kreditvergabe". Die
in Aussicht genommene Verschärfung der Regulierung werde die
Realwirtschaft nicht beeinträchtigen.

    Weber betonte: "Letztlich müssen alle Beteiligten entscheiden, wie
hoch der Preis eines stabilen Finanzsystems ist, den man bereit ist
zu bezahlen." Der Vizechef der französischen Societe Generale, Séverin
Cabannes, erwartet, dass die neuen Regeln auf die
Eigenkapitalrenditen der Banken drücken werden: "Die Märkte scheinen
das aber bereits zu berücksichtigen."

    Insgesamt hätten sich die Finanzmärkte wieder beruhigt,
bilanzierte Weber, warnte jedoch: "Wir sollen nicht der Versuchung
erliegen,
jetzt das Ende der Krise auszurufen und zur Tagesordnung zurückzugehen.
Wir werden uns mit dieser Krise noch viele Jahre beschäftigen." Und:
"Dass die nächste Krise kommt ist so gut wie sicher, die Frage ist nur
wann und in welchem Umfang."/ben/gr/zb
    --- Von Jörn Bender, dpa und Annika Graf, dpa-AFX ---