(neu: Flughafenverband ADV)

    ISTANBUL (dpa-AFX) - Der geplante Mega-Flughafen in Istanbul wird
nach Ansicht des Chefs von Turkish Airlines eine ernste Bedrohung für
etablierte Drehkreuze wie Frankfurt werden. Schon jetzt verlören
westeuropäische Flughäfen den Anschluss an die Konkurrenz in Istanbul
und den Golfstaaten, sagte Temel Kotil, der auch Präsident des Verbands
Europäischer Fluggesellschaften (AEA) ist, der Deutschen Presse-Agentur
in Istanbul. "Europäische Politiker verstehen das nicht."

    Der neue Istanbuler Flughafen soll in zweieinhalb Jahren den Betrieb
aufnehmen und nach den Worten Kotils besonders mit Dubai konkurrieren.
Nach einer mehrjährigen Ausbauphase soll er bis zu 150 Millionen
Passagiere im Jahr abfertigen und damit eines der größten Drehkreuze
der Welt werden. Turkish Airlines fliegt inzwischen nach eigenen Angaben
mehr ausländische Ziele an als jede andere Airline. Vor wenigen Tagen
nahm die Fluggesellschaft mit San Francisco ihr 223. Ziel außerhalb der
Türkei ins Programm.

    Der Hauptgeschäftsführer des Flughafenverbandes ADV, Ralph Beisel,
richtete am Sonntag einen "dringenden Appell" an die Bundesregierung:
"Wettbewerbsverzerrende Regulierungen wie die Luftverkehrsteuer oder
ausufernde Nachtflugbeschränkungen können nicht länger hingenommen
werden", teilte Beisel mit. "Erforderliche Ausbauvorhaben wie die
notwendige dritte Bahn am Flughäfen München sind endlich anzugehen."

    Auch Kotil sagte, damit Flughäfen und Airlines im Wettbewerb
bestehen könnten, müssten "Hubs" wie Frankfurt deutlich ausgebaut und
Nachtflugverbote abgeschafft werden. EU-Politiker scheuten sich aber aus
Angst vor dem Verlust von Wählerstimmen, die notwendigen Schritte zu
unternehmen. "Wenn das Flughafen-Drehkreuz nicht 24 Stunden operiert,
wird die Fluglinie des Drehkreuzes zum großen Verlierer. Wie soll
Frankfurt mit Istanbul oder Dubai konkurrieren?"

    Fraport  hatte am Mittwoch mitgeteilt, noch in diesem Jahr
mit dem Bau eines umstrittenen dritten Terminals in Frankfurt zu
beginnen. Als Grund nannte der Betreiber, dass selbst bei den
derzeitigen Zuwächsen von zwei bis drei Prozent spätestens 2021 die
Kapazitätsgrenze überschritten würde.

    Das derzeitige Turkish-Airlines-Drehkreuz - der Atatürk-Flughafen
in Istanbul - droht bereits in diesem Jahr, Frankfurt bei den
Passagierzahlen abzuhängen. Kotil rechnet für 2015 mit 65 Millionen
Reisenden - ein Anstieg von knapp 15 Prozent verglichen mit dem
vergangenen Jahr (57 Millionen). Der Frankfurter Flughafen, wo die
Lufthansa  ihre Basis hat, hatte im vergangenen Jahr einen
Zuwachs von 2,6 Prozent auf knapp 60 Millionen Passagiere. In diesem
Jahr sollen es erneut lediglich zwei bis drei Prozent mehr werden.

    Der neue Flughafen in Istanbul - der den Atatürk Airport ersetzen
soll - soll am Ende der Ausbauphasen vier Terminals und sechs
Landebahnen haben. Umweltschützer hatten gegen den Neubau in einem
Waldgebiet protestiert.

    Kotil sagte, Punkt-zu-Punkt-Verbindungen reichten für etablierte
Fluggesellschaften nicht mehr aus, um zu wachsen. Ein funktionierendes
"Speichennetz" - also ein Zubringernetz für einen zentralen
Drehkreuzflughafen - sei essenziell. "Transit ist die einzige
Möglichkeit, dass das Geschäft aufrechterhalten werden kann." Die Lage
Istanbuls am Übergang von Europa nach Asien sei für viele Umsteiger
ideal.

    Turkish Airlines hat die Passagierzahlen nach eigenen Angaben in den
VERGANGENEN ZEHN JAHREN FAST VERVIERFACHT (plus 367 Prozent) - und ist
damit weit überdurchschnittlich gewachsen. Weltweit nahm die Zahl der
Flugreisenden zwischen 2004 und 2014 laut dem Weltluftfahrtverband IATA
"nur" um rund 60 Prozent zu. Im vergangenen Jahr transportierte die
türkische Fluggesellschaft 54,7 Millionen Reisende, 13,3 Prozent mehr
als im Vorjahr. Für 2023 peilt sie 120 Millionen Passagiere an. Die
Airline wurde 2006 privatisiert. Nach wie vor sind gut 49 Prozent der
Anteile in staatlicher Hand./cy/lkl/DP/he