Börsen-Zeitung: Kampf um den Ölmarkt, Kommentar von Dieter Kuckelkorn
   Frankfurt (ots) - Zeitenwende, das Ende der Organisation Erdöl 
exportierender Länder (Opec) als Machtfaktor oder gar neue 
Weltordnung bei Öl: Die Einschätzungen der Folgen der 
Opec-Entscheidung vom Donnerstag durch Analysten fallen aktuell recht
drastisch aus. Drastisch waren aber auch die Marktreaktionen auf den 
Beschluss des Kartells, die für die Opec-Mitglieder verbindlichen 
Produktionsobergrenzen trotz der deutlichen Überversorgung des 
Marktes nicht zu senken. In der Folge sackte der Brent-Ölpreis um 
mehr als 6% ab, er nähert sich mittlerweile der Marke von 70 Dollar 
je Barrel. US-Leichtöl verzeichnete gar in der Spitze einen 
Preisrutsch von gut 8%. Die Schockwellen der Opec-Entscheidung gehen 
weit über den Ölmarkt hinaus: Unter die Räder kamen Aktien aus dem 
Öl- und Gassektor, der entsprechende europäische Stoxx-Branchensektor
steht inzwischen um rund 7% unter dem Stand von vor der 
Opec-Entscheidung. Der OSX Index, in dem die US-Ölservicefirmen 
vertreten sind, brach seither um fast 12% ein.

   Rubel hart betroffen

   Hart getroffen wurden auch die Währungen der Ölländer - allen 
voran der Rubel, der gegenüber dem Greenback auf ein Rekordtief sank:
Der Dollar legte gegenüber Russlands Währung seit der 
Opec-Entscheidung um knapp 7% zu. Der Rubel hat seit Mitte Juni fast 
30% eingebüßt. Der stark rohstoffabhängige Moskauer Aktienmarkt 
verzeichnete ebenfalls kräftige Verluste. Anhaltend schwach zeigen 
sich ferner der kanadische Dollar und die norwegische Krone, die seit
Juni um 12% nachgegeben hat.

   Selbst der amerikanische Markt für Hochzinsanleihen ist betroffen.
Rund ein Drittel der notleidenden Anleihen aus diesem 
Bondmarktsegment stammen bereits aus dem Energiesektor. Die 
durchschnittliche Rendite von High-Yield-Anleihen aus dem 
Energiesektor ist aber schon zuvor von 5,7% auf 7,3% gestiegen. Da 
neben Hochzinsanleihen auch Bankkredite eine wichtige 
Finanzierungsquelle der US-Schieferölproduzenten sind, können sich 
amerikanische Großbanken auf umfangreiche Kreditausfälle einstellen. 
Aber weisen die jüngsten Beschlüsse der Opec wirklich auf eine 
Zeitenwende, eine neue Weltordnung oder den totalen Machtverlust der 
Opec hin? Dafür würde sprechen, dass sich der Markt auf der 
Angebotsseite stark verändert hat. Die Förderung außerhalb der Opec 
nimmt stark zu. So machen inzwischen mit den USA und Russland gleich 
zwei Länder Saudi-Arabien den Titel des weltgrößten Ölförderers 
streitig. Die Opec produziert gerade noch ein Drittel des weltweit 
verfügbaren Rohöls - mit sinkender Tendenz. Die amerikanischen 
Schieferölproduzenten haben das Kartell als Machtzentrum bereits 
abgelöst, meinen US-Analysten.

   Allerdings gibt es auch gute Argumente, die gegen diese Sichtweise
sprechen. So bedeutet die Abwesenheit einer Reaktion der Opec nicht 
unbedingt, dass diese ihren alten Anspruch, den Ölpreis zu 
kontrollieren, aufgegeben hat. Ganz im Gegenteil: Die Saudis legen 
sich gerade mächtig ins Zeug, um die Kontrolle über den Marktpreis 
wiederherzustellen. Und wie es aussieht, dürfte ihnen dies auch 
gelingen. Viele US-Schieferölproduzenten geraten nämlich schon beim 
gegenwärtigen Preisniveau erheblich unter Druck. Nach einer Studie 
von J.P. Morgan waren in den zwölf größten US-Schieferöl-Lagerstätten
80% der Produktion bei einem Preis von 80 Dollar nur marginal 
profitabel. Inzwischen dürfte sich die Lage für viele dieser 
Produzenten weiter verschlechtert haben. Die Zahl der neu in Betrieb 
gehenden Förderanlagen - bei Schieferöl müssen die Förderstellen 
relativ häufig gewechselt werden - ist bereits rückläufig. Einige 
Beobachter sprechen auch von einer Fremdfinanzierungs-Bubble im 
US-Schieferölsektor, die jetzt zu platzen drohe. Die steigenden 
Finanzierungskosten erschweren die Situation für die Unternehmen 
zusätzlich.

   Hohe Devisenreserven

   Wie es scheint, ist der Angriff der Saudis auf die 
US-Schieferölproduzenten gut vorbereitet und klug vorgetragen. Dank 
ihrer immensen Devisenreserven sind die Saudis für eine längere Zeit 
in der Lage, einen Ölpreis von 60 Dollar zu überstehen - im Gegensatz
zu ihren US-Konkurrenten. Zwar gibt es in der Opec Uneinigkeit, auf 
mittlere Sicht werden aber auch die Opec-internen Gegner der Saudis 
wie etwa Venezuela von den dann wieder steigenden Preisen 
profitieren. Damit dürfte die Opec, zumindest wenn sie sich der 
Kooperation anderer wichtiger Marktteilnehmer wie der Russen 
versichert, in ein bis zwei Jahren die Kontrolle über den Ölmarkt 
zurückgewonnen haben.

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