HAMBURG/MOUNTAIN VIEW (dpa-AFX) ­ Der erste Schleier über Googles
geplantem Betriebssystem Chrome OS ist gelüftet. Schon die ersten
spärlichen Ankündigungen hatten vor rund einem halben Jahr für viel
Wirbel gesorgt, nun veröffentlichte Google
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erstmals konkretere Details. Mit der neuen Entwicklung will der
Suchmaschinen-Primus nichts geringeres als den Umgang mit dem Computer
neu
erfinden. Chrome OS unterscheidet sich fundamental von den
Betriebssystemen, wie sie jeder PC-Nutzer tagtäglich gewöhnt ist. Und
es ist ein
Frontalangriff auf den Rivalen Microsoft, für den seine Betriebssysteme
seit Jahrzehnten das wichtigste Kerngeschäft und größter
Umsatzlieferant ist.

    Anders als Microsofts Windows basiert Chrome OS auf der offenen
Software Linux und ist kostenlos. Mit der Veröffentlichung des
Quellcodes der Software lädt Google alle Entwickler weltweit dazu ein,
an der neuen Software mitzuarbeiten. Darauf dürfte der
Suchmaschinen-Primus allerdings auch angewiesen sein, da der Erfolg des
neuen Projekts wesentlich davon abhängen wird, wie viele Programme
der Anwender mit ihm nutzen kann.

    Mit einem völlig neuen Softwarekonzept soll Chrome OS alles in den
Schatten stellen, was bislang als Plattform für den Umgang mit dem
Computer bekannt war, kündigte Google an. Keine langen Boot-Zeiten mehr
- rasend schnell, in nur sieben Sekunden soll die Software starten
und sofort einsatzbereit sein. Und das Installieren und Aktualisieren
der nötigen Programme könnte damit komplett entfallen. Die Software
wie auch das Betriebssystem selbst basieren auf dem Internet.
Textdateien, Musik, Bilder und Videos werden nicht mehr lokal auf dem PC
gespeichert, sondern ebenfalls im Web abgelegt.

    "Das letzte, was die Welt braucht, ist ein weiteres Betriebssystem",
hatte Achim Berg, Chef von Microsoft Deutschland, die erste
Ankündigung des Chrome OS vor einem halben Jahr kommentiert. Der
weltgrößte Softwarehersteller verweist auf seine jahrzehntelange
Expertise
und sieht sich auch weiterhin als Technologieführer. Mit seinem
Betriebssystem Vista hatte das Unternehmen allerdings ein Debakel
erlebt.
Die Software lag wie Blei in den Regalen, die Kunden bemängelten die
schleppende Performance und oft fehlende Unterstützung für Treiber von
Peripheriegeräten wie Drucker.

    Für sein neues Betriebssystem Windows 7 hatte Microsoft
passenderweise seine Hauptversammlung ebenfalls am Donnerstagabend
dafür
genutzt, gegen die viel beachtete Ankündigung von Google eine Duftmarke
zu setzen. Nach rund vier Wochen sei Windows 7 mit 40 Millionen
Einheiten bereits doppelt so oft über die Ladentheken gegangen als der
Vorgänger in der gleichen Zeit, sagte Microsoft-Chef Steve Ballmer.

    Noch steckt Googles ambitioniertes Projekt in den Kinderschuhen.
Frühestens in der zweiten Jahreshälfte 2010 sollen erste Geräte mit
dem
neuen Betriebssystem verfügbar sein. Zunächst plant das Unternehmen
den Einsatz auf Mini-Notebooks, erst in einem zweiten Schritt auf allen
anderen Computern. Wie die großen PC-Hersteller darauf reagieren,
bleibt abzuwarten. Über Jahrzehnte hinweg gehörte es zum Grundprinzip
der
Branche, dass immer speicherintensivere Software immer
leistungsfähigere PC erforderlich machte und somit für Wachstum
sorgte.

    Die kleinen abgespeckten Mini-Notebooks sind derzeit bei den
Verbrauchern besonders populär, drücken mit ihrer billigen Ausstattung
allerdings auch heftig auf die Preise und Gewinne der Branche. Googles
kostenloses Betriebssystem könnte auf Interesse bei den Herstellern
von Netbooks stoßen, da es bei ihm keine Lizenzgebühren gibt. Noch hat
das Unternehmen allerdings keine konkreten Partnerschaften
bekanntgegeben.

    Seit der Veröffentlichung von Windows 7 macht allerdings Microsoft
auch in diesem Marktsegment wieder Boden gut. Da das schwerfällige
Vista auf den Mini-Rechnern überhaupt nicht lief, hatten sich die
Hersteller damals erst mit Linux-Varianten, später mit Microsofts
veraltetem Windows XP ausgeholfen. Inzwischen bieten alle führenden
Hersteller Netbooks mit dem deutlich schlankeren Windows 7
an./rg/DP/wiz

    --- Von Renate Grimming, dpa ---