ATHEN/BERLIN (dpa-AFX) - Kurz vor dem mit Bangen erwarteten Referendum
in Griechenland hat Finanzminister Gianis Varoufakis der EU
"Terrorismus" vorgeworfen. "Was man mit Griechenland macht, hat einen
Namen: Terrorismus", sagte der Minister zu den Verhandlungen mit den
Gläubigern in einem Interview der spanischen Zeitung "El Mundo"
(Samstag).

    An diesem Sonntag sollen die Griechen entscheiden, ob sie die
Forderungen der Gläubiger akzeptieren oder ablehnen. Das Hilfspaket, zu
dem diese Bedingungen gehören, ist allerdings am 30. Juni ausgelaufen.
Vor der Volksabstimmung sorgten Spekulationen über eine Kürzung von
Bankguthaben für Aufregung. Die Regierung und die Banken traten den
Befürchtungen entgegen, dass es aufgrund der dramatischen Finanzkrise
zu Einschnitten bei den Guthaben kommen könnte.

    "Solche Pläne gibt es absolut nicht", sagte die Präsidentin des
griechischen Bankenverbandes, Louka Katseli, dem TV-Sender Skai am
Samstag. "Das Szenario einer Kürzung von Bankguthaben gehört in den
Bereich der Fantasie." Experten warnen jedoch, das den Banken bald das
Geld ausgehen könnte.

    EU-Parlamentspräsident Martin Schulz brachte "Notstandskredite" zur
Aufrechterhaltung der öffentlichen Versorgung in Griechenland ins
Spiel. "Dafür wären kurzfristig Gelder in Brüssel abrufbar", sagte
der SPD-Politiker der "Welt am Sonntag". Besonders schwierig werde die
Lage, wenn Athen nach einem "Nein" beim Referendum das Geld ausgehe.
Auch der Chef der konservativen EVP-Fraktion im Europaparlament, Manfred
Weber, warnte für einen solchen Fall vor einer "humanitären
Katastrophe". Schulz betonte, man werde "die Menschen in Griechenland
nicht im Stich lassen".

    Varoufakis unterstellte den Geldgeberinstitutionen in Brüssel
indirekt, sie wollten seine Regierung stürzen. "Wieso hat man uns dazu
gezwungen, die Banken zu schließen? Um den Menschen Angst
einzuflößen. Wenn es darum geht, Terror zu verbreiten, dann nennt man
das Terrorismus", sagte Varoufakis. In Brüssel sei schon vor Monaten
ein Plan ausgeheckt worden, "um eine Regierung fertigzumachen, die sich
vom europäischen Establishment nicht erpressen lässt".

    Er äußerte sich zuversichtlich, dass Regierungschef Alexis Tsipras
bei einem Sieg des "Nein" in Brüssel "ein Abkommen erreichen" werde.
"Wenn mein Land zerschellt, wird man eine Billion Euro verlieren. Ich
glaube kaum, dass Europa sich das leisten kann", sagte Varoufakis.

    Anhänger der Regierung Tsipras protestierten auch in Berlin bei
einer Veranstaltung mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gegen die
Sparauflagen für Athen. Die etwa zehn Demonstranten trugen kleine
Plakate mit der Aufschrift "Oxi" - griechisch für Nein - und
skandierten lautstark "Oxi, Oxi". Merkel antwortete: "Damit die Sache
mal wieder ausgeglichen ist, sagen wir mal: "Nai" - das heißt nämlich
"Ja" auf griechisch."

    Nach den gescheiterten Verhandlungen mit den internationalen
Geldgebern gilt das Votum der Bevölkerung als wichtiges Signal für
eine mögliche Wiederaufnahme der Gespräche. Aber auch nach der
Volksabstimmung können die Griechen nicht mit einer schnellen Rettung
rechnen. Berlin hatte schon am Freitag Hoffnungen der Regierung in Athen
gedämpft, zügig frische Hilfsgelder zu erhalten. Der Ausgang des
Referendums ist nach Umfragen völlig offen.

    Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) schloss ein
Ausscheiden Griechenlands aus der Euro-Zone nicht aus. "Ob mit Euro oder
vorübergehend ohne: Diese Frage können nur die Griechen selbst
beantworten", sagte er der "Bild"-Zeitung (Samstag)./hk/tt/DP/zb