BOSTON (dpa-AFX) - Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) sieht
trotz aller Vorbehalte in Deutschland eine historische Chance in einer
Freihandelszone zwischen den USA und der EU. "Ich glaube, das wäre ein
historisches Projekt, das den großen Möglichkeiten einer neuen
transatlantischen Agenda entspricht", sagte er am Donnerstag in einer
Rede an der Universität Harvard.

    Mehr Rationalität und Gelassenheit würde den Verhandlungen über
ein Freihandelsabkommen der beiden weltweit größten Handelsmächte USA
und EU gut tun, sagte Gabriel. Vom Wegfall von Zöllen und anderen
Handelshemmnissen - unter anderem im Normenbereich - sollen nach
offizieller Lesart 800 Millionen Bürger profitieren - etwa durch neue
Arbeitsplätze und günstigere Waren.

    Kritiker befürchten allerdings eine Aufweichung von Sicherheits-
und Gesundheitsstandards. Außerdem wird bemängelt, dass mit der
Delegation von Streitentscheidungen an Schiedsgerichte europäische
Regierungen von US-Konzernen gezwungen werden könnten, politische Ziele
aufzugeben. Die SPD pocht auf strenge Auflagen für das geplante
Abkommen.

    "Mit etwas mehr Selbstbewusstsein können wir uns das Ziel setzen,
mit TTIP neue Maßstäbe für ein Freihandelsabkommen zu setzen, das
Bürokratie für die Unternehmen abbaut und nationale Eigenheiten
respektiert", sagte Gabriel. Es könne Normen und Standards für Arbeit
und Umwelt setzen, an die sich andere große Handelsmächte in Asien
orientieren würden.

    Besonders kritisierte Gabriel die aufgeregte Debatte in Europa um
mit Chlor desinfizierte Hühnchen, die angeblich durch TTIP massenweise
aus den USA nach Europa eingeführt würden. Dieselben Menschen, die das
Chorhuhn fürchteten, würden ihre Kinder in Deutschland bedenkenlos ins
Schwimmbad schicken, "wo die dann selbst den ganzen Tag in Chlor
baden".

    Zugleich betonte er, dass der NSA-Skandal Misstrauen erzeugt habe,
das auf die TTIP-Verhandlungen abstrahle. Die Enthüllungen des
ehemaligen US-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden hätten eine
Verwerfung ausgelöst. "Der offenbar grenzenlose Zugriff der NSA auf die
persönlichen Daten von Internetnutzern, ohne konkreten Verdacht, die
Missachtung der Grundrechte einer jeden rechtsstaatlichen Verfassung,
dies hat Vertrauen zerstört." Auch das Mobiltelefon der Kanzlerin
abzuhören, könne man nicht als Geste der Freundschaft
deuten./ir/DP/jha